Auf digitalisierten Baustellen jede Ressource nachhaltig einsetzen
Nachhaltigkeit rückt auch im Bausektor immer mehr in den Fokus. Die Branche blickt dabei momentan aber nur auf Baumaterialien – und lässt andere Facetten fatalerweise außer Acht. Denn nachhaltiges Bauen bedeutet nicht nur, recycelte und ressourcenschonende Materialien zu verwenden, sondern auch die Prozesse rund um das Bauprojekt nachhaltig zu gestalten. Dazu zählt, Informationen zu teilen, Arbeiten ideal aufeinander abzustimmen und aus Fehlern zu lernen. Um die Prozesse effizient und transparent zu gestalten sowie um Projekte vergleichbar zu machen, sind digitale Tools von erheblichem Nutzen.
Ökologisch, ökonomisch und sozial – aus diesen Schnittmengen setzt sich nachhaltiges Bauen zusammen. Mit jeder Ressource gilt es auf der Baustelle bewusst umzugehen, also mit Baumaterialien, Werkzeugen, Mitarbeitenden, Zeit und Finanzen. Die ökologische Perspektive betrachtet vor allem die CO2-Bilanz und fokussiert sich darauf, wann das erbaute Gebäude emissionsfrei ist. Aus ökonomischer Sicht sind vor allem die Fragen relevant, wie wirtschaftlich ein Gebäude über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg ist und inwiefern sich nachhaltiges Bauen wirtschaftlich lohnt. So sind laut dem aktuellen Baupreisindex des Statistischen Bundesamtes nur innerhalb eines Jahres die Preise für den Neubau konventionell gefertigter Wohngebäude um 14,3 Prozent gestiegen[1] – der Trend der letzten Jahre setzt sich demnach weiter fort. Baustoffe nicht immer neu zu kaufen, sondern recycelte Materialien zu verwenden, kann sich also kostentechnisch lohnen und wirkt sich auch positiv auf die Ökobilanz eines Neubaus aus.
Weg vom Schubladendenken
Bei der sozialen Komponente der Nachhaltigkeit rückt schließlich der Mensch in den Vordergrund: Wer baut das Gebäude, wo wird es errichtet und wer soll darin wohnen? Dabei soll ein Neubau möglichst lange und energieeffizient nutzbar sein. Voraussetzung für nachhaltiges Bauen ist der Faktor Mensch auch insofern, als dass er aus vorangegangenen Projekten lernt. „Momentan gibt es für jedes Bauprojekt aber meist eine eigene Schublade. Ist das Projekt fertig, wird die Schublade geschlossen und für das nächste eine neue aufgemacht“, berichtet David Flörchinger, Geschäftsführer der Bausoftwarelösung OPTICON.SITE. Die Bauprojekte sind dadurch nicht vergleichbar, aus Erfahrungen kann kaum gelernt werden. Um sich beim nachhaltigen Bauen nicht bloß auf ein diffuses Gefühl, sondern auf valide Fakten verlassen zu können, ist deshalb eine digitale Plattform unablässig, die alle Daten zu einem Bauprojekt sammelt und vergleichbar macht.
Doch die Baubranche ist hierzulande bei Neuerungen schwerfällig und vor allem in Sachen Digitalisierung weit abgeschlagen. Neuen, technischen Tools begegnen Planer und Handwerker mit großen Vorbehalten. „Die meisten wollen einfach so weiterarbeiten, wie sie es gewohnt sind“, berichtet Flörchinger. Das führt auch zu Generationenkonflikten, weil jüngere, digital affine Mitarbeiter das Potenzial von Software-Lösungen erkennen, leichten Zugang zu entsprechenden Medien haben und in deren Nutzung als Digital Natives geübt sind.
Investitionen in eine Software werden außerdem als zusätzliche Belastung gesehen – zumal der Kostendruck in der Baubranche ohnehin extrem ist. Doch die Digitalisierung schreitet voran und entwickelt sich exponentiell. „Viele Planer sagen auch, dass sie keine Zeit hätten, noch ein weiteres Tool zu nutzen. Je länger aber der deutsche Bausektor wartet, desto mehr wird er abgehängt“, betont Flörchinger.
Digitale Tools zur Bauplanung, -ablaufplanung und -durchführung
Um den Anschluss an den Wettbewerb zu halten, aber auch um sich nachhaltig aufzustellen, sind digitale Tools für die Baubranche unablässig. Sie fungieren als objektives Messmittel, da sie sämtliche Daten eines Bauprojekts sammeln, transparent darstellen und so vergleichbar machen. Derzeit existieren im Grunde drei verschiedene Arten digitaler Lösungen: für die Bauplanung, wie Building Information Modeling (BIM), für die Bauablaufplanung, also welches Gewerk wann welche Leistung erbringen soll, und für die Baudurchführung. Letztere sind sozusagen der Echtzeit-Baustellen-Spiegel und die Schnittstelle zwischen der Bauplanung und der tatsächlichen Umsetzung. Durch die digitale Anwesenheitskontrolle beispielsweise legen solche Lösungen offen, welches Gewerk mit wie vielen Mitarbeitern zu welchem Zeitpunkt auf der Baustelle ist und welche Leistungen sie erbringen. Dadurch lässt sich der Baufortschritt digital messen und nachvollziehen, ob die einzelnen Meilensteine in der vorgegebenen Zeit erreicht werden. Ist ein Gewerk zum Beispiel plötzlich mit deutlich mehr Mitarbeitern auf der Baustelle, kann einem eventuellen Problem direkt nachgegangen werden – möglicherweise wurde für den Bauabschnitt zu wenig Zeit eingeplant. Diese Daten stehen dann für weitere Bauprojekte zur Verfügung, sodass eventuelle Fehlplanungen berücksichtigt werden können und die gleichen Fehler nicht noch einmal gemacht werden.
Nachhaltiger gestalten digitale Tools den Bau zudem insofern, als dass sie Zeit und den Rohstoff Papier einsparen. „Der Austausch zwischen allen Beteiligten erfolgt heute oft noch über Ausdrucke, per Mail, Anruf oder Messenger“, weiß Flörchinger. Dadurch geht nicht nur Wissen verloren, sondern die Datenhaltung ist nicht nachhaltig. Kommt hingegen ein digitales Tool zum Einsatz, erfolgt der Austausch papierfrei und die Daten sind nicht länger nur lokal auf einzelnen Endgeräten hinterlegt. Nachhaltigkeit geht also mit digitaler Transformation einher und wiederum mit einem aktiven Change-Management. Flörchinger: „Nachhaltigkeit bedeutet Veränderung und dafür müssen alle mitgenommen werden.“ Ob Großunternehmer oder einzelner Handwerker: Sie alle müssen für den Umgang mit digitalen Tools befähigt werden.
Nachhaltige und energieeffiziente IT
Doch auch Software verbraucht Ressourcen, insbesondere natürlich Strom. Die IT gilt daher als ein Treiber für den Klimawandel – ein Vorbehalt, mit dem sich Softwareentwickler wie Flörchinger auseinandersetzen müssen. „Die IT muss sich wandeln, das ist klar“, sagt er. Um Datenströme weiterhin konstant gewährleisten zu können und dabei klimaneutral zu sein, haben sich Cloudlösungen als ideal erwiesen. Große Rechenzentren verbrauchen zwar viel Strom; dieser lässt sich aber auch durch erneuerbare Energien erzeugen. Die durch die Server erzeugte Wärme lässt sich zudem für andere Zwecke nutzen, zum Beispiel für Gewächshäuser und für die Versorgung mit Fernwärme. Cloudlösungen vermeiden zudem Datenredundanzen, da Daten zentral in der Cloud und nicht lokal auf Endgeräten gespeichert werden; auch dadurch steigt die Nachhaltigkeit. Zusätzlich setzen Rechenzentren stets die neueste, energieeffizienteste Servertechnik ein. „Dass sich ein Endverbraucher regelmäßig das neueste Gerät kauft, ist nicht zu gewährleisten und wäre auch hinsichtlich der Ressourcenschonung wenig sinnvoll“, meint Flörchinger.
Eine Baustellen-Software sollte als wertschöpfender Kostenpunkt betrachtet und direkt in die Baukalkulation miteingerechnet werden. Zusätzliche Kosten verursacht die Software zwar, doch sie hilft, Ressourcen und Kosten einzusparen. Baulogistik-Tools wie zum Beispiel in OPTICON.SITE ermöglichen es, Zeit bei der Anlieferung und Verbringung von Materialien einzusparen, da sich die Baustelle mit ihrer Unterstützung ideal planen lässt: Anlieferung just-in-time, möglichst wenig Lagerhaltung und wenn dort, wo die Materialien nicht im Weg stehen und auf kürzestem Wege verbracht werden können. Auch durch Zutritts- und Anwesenheitskontrollen lässt sich Zeit sparen, weil beispielsweise Compliance-Anforderungen zu Mindestlohn und Schwarzarbeit eingehalten werden. Kontrolliert der Zoll eine digital überprüfte Baustelle, steht diese nicht still – denn das Tool zeigt transparent, wer aktuell dort arbeitet. „Zollkontrollen gestalten sich dann deutlich kürzer“, weiß Flörchinger. „Und auch seltener, weil ja alles glatt lief.“
Zusätzlich lassen sich mit Softwarelösungen Prozesse standardisieren, aufeinander abstimmen, messen, und auf alle folgenden Bauprojekte anwenden. Auch die Nachhaltigkeitsbilanz einzelner Projekte lässt sich messen – und beweisen.
Fazit
Um nachhaltig zu bauen, ist der Einsatz von digitalen Tools unablässig, denn Nachhaltigkeit und Digitalisierung gehen miteinander einher. Mit Hilfe von Softwarelösungen lassen sich Baustellen hinsichtlich Ressourcenaufwand, Energieeinsatz, Zeitbedarf und Kosten effizienter planen und durchführen. In der Baudurchführung erfassen Tools alle relevanten Daten, machen sie transparent und vergleichbar. Auf diese Weise lässt sich aus jedem Bauprojekt lernen: Anstelle von gefühlten Erfahrungswerten stehen für neue Projekte Fakten zur Verfügung. Wissen geht nicht verloren, sondern aus Fehlern wird gelernt. Das macht künftige Projekte per se nachhaltiger.
[1] Destatis (2022): Baupreise für Wohngebäude im Februar 2022: +14,3 % gegenüber Februar 2021. Online verfügbar unter: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/04/PD22_156_61261.html;jsessionid=684B00886FBD12C76AED3581473E0DCE.live742, zuletzt aufgerufen am 01.06.2022, 14.10 Uhr.
Bildquelle: annca auf Pixabay
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