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Retentionsdach: Regenwasserrückhalt für Dächer

Der menschengemachte Klimawandel stellt die Menschen immer wieder vor neue Herausforderungen. Die Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 (KWRA) prognostiziert für Deutschland im gesamten Bundesgebiet vor allem hohe Belastungen durch Hitze, lange Trockenperioden und Starkregenereignisse. Um die Folgen für Menschen und Umwelt abzumildern, ist ein intelligentes Regenwassermanagement unabdinglich. Retentionsdächer können in Zukunft als ein Baustein dazu beitragen. Erfahren Sie hier, wie das funktioniert.

Inhaltsverzeichnis

Retentionsdach – Was ist das?

Einfach gesagt: Ein Retentionsdach speichert Regenwasser auf dem Dach und leitet es zeitverzögert und gedrosselt weiter. Retention kommt von dem lateinischen Wort „retentio“, was „Zurückhalten“ bedeutet. Ein Retentionsdach ist somit nichts anderes als ein Dach, das etwa zurückhält – in diesem Fall Regenwasser. Der Vorteil besteht darin, den Niederschlag dort zurückzuhalten, wo er anfällt, um damit zentrale Entwässerungssysteme zu entlasten und eine bessere temporäre und lokale Verteilung des Regenwassers zu erzielen.  

Intelligentes Regenwassermanagement ist wichtig, um Überschwemmungen und Hochwasser zu vermeiden oder abzumildern. Retentionsdächer sind eine Möglichkeit sinnvoller, dezentraler Regenwasserbewirtschaftung.
Foto: stock.adobe.com / Thaut Images

Intelligentes Regenwassermanagement

Regenwassermanagement mit Retentionsdächern folgt einem einfachen Prinzip. Zunächst wird das Regenwasser auf dem Dach aufgefangen und dann in der Vegetationsschicht und in den Retentionselementen gespeichert. Damit entlasten Retentionsdächer vor allem bei Starkregen kommunale Abwassersysteme, sodass die Gefahr für Überschwemmungen oder vollgelaufene Keller deutlich gemindert wird. Auf dem Dach verdunstet ein Teil des Regenwassers dann langsam auf natürliche Weise und ein weiterer Teil dient der Bewässerung der Bepflanzung. Das übrige Wasser, das in den Retentionselementen gespeichert wird, kann abschließend zeitverzögert – zum Beispiel nach 24 Stunden – und gedrosselt in die Kanalisation oder Versickerungsanlage geleitet werden. Bei dem nächsten Starkregenereignis oder Unwetter sind die Speicher dann wieder aufnahmefähig.

Einleitbeschränkungen einhalten dank Retentionsdach

Durch die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung sind Retentionsdächer zudem ein ideales Mittel, um lokale Einleitbeschränkungen einzuhalten. Einige deutsche Städte wie z.B. Berlin schreiben für Bauvorhaben konkrete Regeln zum Regenwassermanagement vor. Sie können sich hier informieren: Begrenzung von Regenwassereinleitungen bei Bauvorhaben in Berlin

Aufgrund des hohen Versiegelungsgrades und der Zunahme der Starkregenereignisse ist es sehr wahrscheinlich, dass insbesondere Großstädte zunehmend entsprechende Bestimmungen für Bauvorhaben etablieren.

Aufbau eines Retentionsdachs

Ein Retentionsdach besteht aus mehreren Elementen. Über dem Retentionsaufbau befindet sich üblicher eine Vegetationsschicht mit Bepflanzung und geeignetem Substrat. Erst dann folgt durch ein Filtervlies abgetrennt das Retentionselement in der Drainageschicht. Hier wird das Wasser gespeichert und über eine dort verbaute Drossel langsam in die Kanalisation oder Versickerungsanlage abgeleitet. Die Höhe des Retentionselements begrenzt den Rückhalteraum für das Regenwasser. Unterhalb der Retentionsschicht folgt die Abdichtung mit Schutzvlies, wurzelfester Polymerbitumenbahn, Dampfsperre und Dämmung.

Ob extensive oder intensive Dachbegrünung: Zusätzliche Retentionselemente leisten unter dem Gründach einen wichtigen Beitrag zum Regenwasserrückhalt.
Foto: stock.adobe.com / HildaWeges

Überlegungen vor der Installation eines Retentionsdachs

Retentionsdächer müssen baustatischen Eigenschaften, gesetzlichen Vorgaben und umwelttechnischen Gegebenheiten gerecht werden.

Der passende Abflussbeiwert

Der Abflussbeiwert Ψ (von Herstellern häufig mit C angegeben) beschreibt das Verhältnis des Niederschlags AO, der direkt in den Abfluss fließt, zum Gesamtniederschlag N.

Ψ = AO/N

Wenn 100% der Gesamtniederschlagsmenge in die Kanalisation abgeleitet werden, entspricht Ψ=1. Ein Gründach bis 10cm Aufbauhöhe hat einen Abflussbeiwert von Ψ=0,5. Das bedeutet, dass 50% des Wassers abgeleitet werden müssen. Ein Retentionsdach sollte also einen möglichst niedrigen Abflussbeiwert haben, um eine möglichst hohe Effizienz zu garantieren.

In Compliance mit den Änderungen der DIN 1986-100 unterscheiden Hersteller und Planer dabei zwischen dem Spitzenabflussbeiwert CS und dem mittleren Abflussbeiwert Cm.

Dieser Wert gilt jedoch nur bei Regenmengen bis zur Berechnungsregenspende (oder Bemessungsregenspende). Dabei handelt es sich um die planmäßig abzuleitende Regenwassermenge. Ist diese erreicht, ist der Speicher des Retentionselements voll und die Vegetationsschicht gesättigt, sodass das überschüssige Wasser direkt in die Kanalisation abgeleitet werden muss.

Daher hängt die Wahl des richtigen Retentionsaufbaus auch immer von den geografischen und meteorologischen Gegebenheiten ab. Bauherren sollten das berücksichtigen und sich mit einer Fachfirma in Verbindung setzen.

Notablauf

In diesem Zusammenhang ist auch die Installation eines Notablaufs oder einer Notentwässerung wichtig. Im Falle eines extremen Starkregens (z.B. Jahrhundertregen), dessen Dauer und Niederschlagsmenge die Norm deutlich übersteigt, leitet der Notablauf die überschüssige Wassermenge zügig ab. Eine passende Notentwässerung ist absolut essentiell für die Sicherheit des Gebäudes und sollte bei der Planung nicht vergessen werden.

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Geeignete Gebäude

Generell sind Retentionsdächer nur für Flachdächer bis zu einer Dachneigung von ca. 5° geeignet. Gleichzeitig stellen Retentionsdächer auch hohe Ansprüche an die Baustatik: Der Aufbau inklusive Begrünung und die gespeicherten Wassermengen belasten das Dach unter Umständen mit mehr als 100kg/m². Bei Neubauten können Architekten die hohe Belastung direkt in die Tragwerksplanung einbeziehen. Bei Bestandsgebäuden sollten Statiker und Planer die Tragfähigkeit ermitteln und gegebenenfalls notwendige Baumaßnahmen in die Wege leiten.

Die richtige Dachabdichtung

Bitumenbahnen müssen so verlegt werden, dass Wasser sich nicht horizontal durch Kapillarwirkung ausbreiten kann.
Foto: stock.adobe.com / andre

Für Retentionsdächer gilt wie für andere Nutzdächer auch, dass die Dachabdichtung besonders langlebig und hochwertig sein sollte. Dazu bieten sich z.B. wurzelfeste Polymer-Bitumenbahnen an, die in mindestens zwei Schichten verlegt 

werden sollten. Zusätzlich kann die Dampfsperre im Gieß- und Einrollverfahren vollflächig verklebt werden, um im Fall einer Leckage eine horizontale Ausbreitung des Wassers zu verhindern.

Das Retentionsdach als Schutz für das Gebäude

Auch wenn Retentionsdächer an das Gebäude viele Anforderungen stellen, bieten sie doch auch einige Vorteile. Durch den zusätzlichen Aufbau wird das Dach vor mechanischen Einflüssen, starken Temperaturschwankungen und hoher UV-Strahlung geschützt, was sich positiv auf die Lebensdauer der Materialien auswirkt. Gleichzeit fungiert das Retentionsdach als zusätzliche Dämmung: Energie und Kosten, die für die Klimatisierung eines Gebäudes anfallen, werden dadurch gesenkt.

Das Retentionsdach – eine zeitgemäße Lösung

Das Retentionsdach ist als eine Maßnahme für sinnvolle Regenwasserwirtschaft vor allem in Gebieten mit einem hohen Versiegelungsgrad hervorragend geeignet. Sie ermöglicht die dezentrale Speicherung des Regenwassers vor Ort und verhindert so, dass öffentliche Entwässerungssysteme überlastet werden. Damit stellen sie eine zeitgemäße Lösung zur Anpassung an klimawandelbedingte Starkregenereignisse dar.

Quellen