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Klimaanpassung durch naturbasierte Lösungen

Auf die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal 2021 folgt nur ein Jahr später in Deutschland eine nahezu beispiellose Dürre. Die Auswirkungen des Klimawandels sind selbst in Mitteleuropa inzwischen deutlich spürbar. Naturbasierte Lösungen können helfen, die Klimafolgen abzumildern und zugleich das Klima schützen. 

Inhaltsverzeichnis

Was ist Klimaanpassung?

Nur 1,5°C Erderwärmung bis zur Jahrhundertwende im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter– das war das Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2016. Aktuelle Prognosen gehen jedoch davon aus, dass wir diese Marke noch in diesem Jahrzehnt übersteigen werden. Die Folgen für den Planeten, die Artenvielfalt und uns als Menschen sind gravierend. Um die negativen Auswirkungen der drohenden Klimakatastrophe abzumildern, sind weitreichende Anpassungsmaßnahmen notwendig.

Durch Anpassungen an den Klimawandel oder kurz Klimaanpassungen werden technische oder natürliche Strukturen so gestaltet, dass sie widerstandsfähiger gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels sind. Damit z.B. ein Extremwetterereignis wie Starkregen nicht zu schweren Personen- und Sachschäden führt, können Kommunen entweder bautechnische Lösungen wie Retentionsbecken oder Rigolenversickerungen realisieren oder auf naturbasierte Lösungen zurückgreifen.

Naturbasierte Lösungen als geeignete Anpassungsstrategie

Die Europäische Kommission bezeichnet naturbasierte Lösungen als „Lösungen, die von der Natur inspiriert sind und von ihr unterstützt werden, die kosteneffizient sind und gleichzeitig ökologische, soziale und wirtschaftliche Vorteile bieten und zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit beitragen.

Durch die geringen Kosten bei weitreichenden positiven Auswirkungen auf viele verschiedene Lebensbereiche stellen naturbasierte Lösungen häufig sowohl für große Städte als auch für kleine Kommunen eine sinnvolle Methode zur Anpassungen an den Klimawandel dar. Als natürliche Ökosysteme sind sie Kohlenstoffsenken, bieten Schutz vor Naturkatastrophen, erhalten die Artenvielfalt und tragen zum Wohlbefinden von Menschen bei.

Vorteile von naturbasierten Lösungen

Tatsächlich besteht der große Vorteil von naturbasierten Lösungen darin, dass sie nicht nur zur Milderung der Klimafolgen beitragen, sondern auch das Erreichen sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Ziele unterstützen, wie sie in den UN-Nachhaltigkeitszielen oder Sustainable Development Goals (SDGs) festgelegt wurden. Dabei handelt es sich um die 17 Ziele, welche die Mitgliedsstaaten der vereinten Nationen bis 2030 erreichen wollen, um global Frieden, Wohlstand und Umwelt zu sichern.

Zugleich profitieren die Menschen und die Umwelt von dem Ausbau und dem Erhalt naturnaher Systeme. Naturnahe Grün- und Blauflächen tragen dazu bei, dass mehr Wasser gespeichert werden kann und sorgen für eine deutliche Verbesserung der Luft- und Wasserqualität. Auch der menschengemachte Artenkollaps kann durch die Biodiversität naturbasierter Lösungen abgemildert werden: Die Artenvielfalt bleibt erhalten. Nützlicher Nebeneffekt? Eine große Artenvielfalt wirkt sich positiv auf die CO2-Aufnahmefähigkeit eines Raums auf.

All diese Faktoren tragen dazu bei, dass Gesundheit und Wohlbefinden von Menschen geschützt werden. In den Städten tragen Grünflächen z.B. zur Milderung des Wärmeinsel-Effekts bei, was vor allem vulnerable Gruppen wie Vorerkrankte und Senioren vor den negativen Folgen zu großer Hitzebelastung schützen kann.

Luftreinigung, Regenwassernutzung und Verschattung: Bäume und Straßenbegleitgrün sind nicht nur ein Blickfang, sondern auch verbessern das Stadtklima deutlich.
Foto: stock.adobe.com/Danila Shtantsov

Welche naturbasierten Lösungen gibt es?

Naturbasierte Lösungen haben nicht nur vielfältige positive Auswirkungen, sondern sind als Dachkonzept in ihrer Umsetzung und Beschaffenheit so vielseitig, dass sich für verschiedene geografische, gesellschaftliche und architektonische Herausforderungen nahezu unendlich viele Lösungen finden lassen.

Regenwassermanagement

Eine zentrale Herausforderung ist z.B. das Regenwassermanagement. Städte haben in Folge des Klimawandels häufig mit langanhaltender Trockenheit oder Starkregen zu kämpfen. Beide Probleme können durch sinnvolle Maßnahmen zum Umleiten des Regenwassers behoben werden. In großen Städten gewinnt vor allem die dezentrale und naturnahe Regenwasserwirtschaft eine immer größere Rolle: Durch Dachbegrünungen, Rigolen-Systeme, Mulden, Blauflächen und Versickerungsanlagen soll die Stadt das Regenwasser aufsaugen wie ein Schwamm („Schwammstadt“) und speichern oder langsam in die Kanalisation ableiten. Außerhalb großer Städte können große Retentionsräume mit hoher Speicherkapazität angelegt oder natürliche Wassersysteme wie Auen, Flüsse, Teiche oder Moore renaturiert werden.

Hitzemanagement

Eine weitere große Herausforderung ist vor allem in Städten das Hitzemanagement. Durch die enge, naturferne Bebauung staut sich dort im Sommer die Hitze. In Extremfällen können Städte bis zu 10°C wärmer sein als ihre ländliche Umgebung. Um diesen Effekt abzumildern, bieten sich Biotope, Freiflächen, Grün- und Blauflächen, welche die Artenvielfalt erhalten und die Luft durch Verdunstung und Verschattung abkühlen, sowie Frischluft-Schneisen an, welche die Hitze mit dem Wind aus der Stadt hinaustragen.

Küstenschutz

Auch Küstenschutz kann durch naturbasierte Lösungen realisiert werden. Als Alternative zum harten Küstenschutz mit Deichen bietet sich für ländliche Gegenden ein weicher Küstenschutz durch die Wieder-Anlage von Flachwasserräumen an. Allerdings sind naturbasierte Lösungen nicht nur für die typischen urbanen und ländlichen Gebiete in europäischen Ländern geeignet. Auch z.B. der Erhalt und Ausbau von Mangrovenwäldern in afrikanischen Küstengebieten schützen vor Überschwemmungen und Erosion, während sie zugleich bedrohten Arten ein Zuhause bieten.

Allgemein

Überschwemmungsschutz – Schutzmaßnahmen gegen Überflutung und Hochwasser

Die Unwetter-Katastrophe Ende Juli 2021 forderte mehr als 180 Menschenleben und machte wieder einmal deutlich, welche Zerstörungskraft Extremwetterereignisse haben können. Zwar handelte es sich bei der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Bayern um ein „Jahrhundertereignis“, aber Überschwemmungen gehören generell zu den häufigsten wetterbedingten Beschädigungen in der Baubranche.

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Renaturierung

Außerhalb urbaner Siedlungsgebiete steht zudem die Renaturierung agrar- oder forstwirtschaftlicher Nutzflächen im Zentrum. In Deutschland bietet z.B. der Schutz und die Wiedervernässung von Mooren ein großes Potenzial zum Erhalt der Artenvielfalt und zur Speicherung großer Mengen von CO2. Moore entziehen der Atmosphäre jährlich rund 200 Mio. Tonnen CO2 und sind damit als natürliche Kohlenstoffsenken unverzichtbar.

Dazu gewinnt die Renaturierung von Auen an Bedeutung. Diese speichern nicht nur CO2 und bieten gefährdeten Arten einen Lebensraum, sondern sind als natürliche Überschwemmungsflächen ein hervorragender Schutz vor Hochwasser.

Abschließend liefert die Aufforstung von klimaresilienten Mischwäldern als natürliche Kohlenstoffspeicher einen wichtigen Beitrag zur Klimaanpassung. Intakte Wälder sind hervorragend zur Speicherung von CO2, zum Artenschutz und für das Wohlbefinden der Menschen geeignet.

Fassadenbegrünung ist eine Maßnahme, um in dicht besiedelten Städten mehr Grünflächen zur Abkühlung zu schaffen.
Foto: stock.adobe.com / Max4

Probleme bei der Umsetzung naturbasierter Lösungen

Obwohl naturbasierte Lösungen viele Vorteile bieten, stellen sie Planer immer wieder vor Herausforderungen. Dort, wo sich eine so breite Auswahl an geeigneten Lösungen bietet, müssen Experten genau abwägen, welche Methode am besten geeignet und welche Maßnahmen sogar kontraproduktiv sein können.

Flächennutzungskonflikte

Bei einer stetig wachsenden Weltbevölkerung ist der Kampf um Flächennutzung allgegenwärtig. Flächen, die für naturbasierte Lösungen verwendet werden, stehen üblicherweise nicht mehr zur Bebauung oder als Agrarflächen zur Verfügung. In Städten, wo der Wohnraum knapp und das wirtschaftliche Interesse an einer Nachverdichtung hoch ist, kann das durchaus zu Konflikten führen. Noch prekärer ist die Lage in Ländern, in denen Flächen, die vorher dem Anbau von Nahrung dienten, in naturnahe Systeme umgewandelt werden.

Mangelnde Vernetzung

Um eine hohe Resilienz gegenüber Umwelteinflüssen zu erreichen, ist es besonders wichtig, dass eine Reihe heterogener Systeme miteinander vernetzt werden. Naturbasierte Lösungen schöpfen als Insellösungen nicht ihr volles Potenzial aus und müssen daher ganzheitlich gedacht werden.

Ungeeignete Organisationsstrukturen

Gerade dieser ganzheitliche Ansatz stellt Initiatoren immer wieder vor Probleme. Um eine gute Vernetzung naturnaher Systeme zu erreichen, müssen Politik, Ämter und diverse Fachbereiche zusammenarbeiten und sich in Projekten oder Strukturen organisieren, für die es bisher keine Präzedenzfälle gibt. Daher scheitern manche Umsetzungen von naturbasierten Lösungen an Zuständigkeitskonflikten und mangelnder Zusammenarbeit zwischen Institutionen.

Wissenslücken

Nach wie vor besteht zudem das Problem, dass vor allem in kleineren Kommunen wenig Bewusstsein für die Möglichkeiten naturbasierter Lösungen zur Klimaanpassung gibt. Daher ist es mitunter schwierig, entsprechende Initiativen anzustoßen. Parallel dazu werden auch von Experten häufig Maßnahmen angeregt, die aufgrund der geografischen oder sozialen Gegebenheiten nicht zu der Fläche passen und somit mehr schaden als nützen. Darunter fällt z.B. die Aufforstung von Flächen, die für die Forstwirtschaft aufgrund der Trockenheit oder der Bodenbeschaffenheit überhaupt nicht geeignet sind.

Maßnahmen zur Klimaanpassung werden von der Politik gefördert

EU, Bund und Länder bieten inzwischen eine ganze Reihe an Förderungen und Anreizen, um Städte und Kommunen zur Umsetzung naturbasierter Lösung zur Anpassung an den Klimawandel und zum Erhalt der Artenvielfalt zu ermuntern.

In Folge des Europäischen Grünen Deals bietet die EU eine Förderung im Rahmen des   Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), die vor allem dem Klimawandel, Umweltschutz und der Erhalt der Artenvielfalt durch naturbasierte Lösungen gewidmet ist.

Deutsche Städte, Gemeinden und Landkreise können zudem über die Deutsche Anpassungsstrategie Fördermittel für Maßnahmen zur Klimaanpassung beantragen. Für Städte bietet sich zudem das Bundesprogramm Biologische Vielfalt an, das maßstabsetzende Vorhaben zum Arterhalt in deutschen Städten fördert. Der Waldklimafonds bietet Förderungen für klimagerechte Forstwirtschaft auch für kommunale Wälder.

Auch einzelne Bundesländer wie Bremen, Nordrhein-Westfalen und Hessen bieten gezielte Förderprogramme für naturbasierte Lösungen. In Hessen werden zum Beispiel Maßnahmen gefördert, die durch geeignete Waldbestände Extremwetter-Ereignisse auffangen können und Bremen belohnt Maßnahmen zur Entsiegelung von Flächen.

Außerdem werden verschiedene Preise ausgelobt. So können europäische Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern sich als Grüne Hauptstadt Europas bewerben. Eine Kommission entscheidet dann, welche Stadt besonders gute Konzepte besitzt und umsetzt, um die Lebensqualität ihrer Bewohner zu steigern und ihren schädlichen Einfluss auf die Umwelt zu verringern. Aktuelle Gewinnerin für das Jahr 2023 ist z.B. Tallinn, die sich vor allem durch kostenlosen ÖPNV für alle, Konzepte für Klimaneutralität und nachhaltigen Lebensstil den Sieg sichern konnte.

Für kleinere Städte gibt es den Green Leaf Award. Dieser prämiert Städte zwischen 20.000 und 100.000 Einwohnern für ihr Engagement für Umwelt, Klimaschutz und das Wohlbefinden ihrer Bürger. Gewinner des Green Leaf Awards 2021 sind die bulgarische Stadt Grabovo und die finnische Stadt Lappeenranta.

Aufforstung als naturbasierte Lösung zur Klimaanpassung: Das Bundesland Hessen fördert entsprechende Maßnahmen.
Foto: stock.adobe.com / swisoot

Fazit

Naturbasierte Lösungen stellen eine geeignete Maßnahme zur Anpassung an den Klimawandel dar. Sie profitieren vor allem von ihrer Vielseitigkeit: Sie dienen nicht nur Klimaanpassung, sondern auch zur Speicherung von CO2, zum Erhalt der Biodiversität, als Katastrophenschutz und zur Förderung des Wohlbefindens und der Gesundheit der Menschen. Dennoch muss ihre Umsetzung durch Experten begleitet werden, um die Vorhaben sinnvoll und an die lokalen Gegebenheit angepasst realisieren zu können.

Quellen