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Mit hellen Flächen gegen den Klimawandel

Wie weiße Fassaden und graue Dächer das Klima schützen

„Walkie Talkie“ heißt das Londoner Hochhaus, das 2013 Menschen weltweit daran erinnerte, dass Form und Beschaffenheit von Fassaden Auswirkungen auf ihre Umgebung haben können. Seine Glasfassade wurde zum Brennglas, schmolz den Außenspiegel eines Autos ein und schmorte ein Loch in die Fußmatte vor einem Geschäft.

Zugegeben – dieser Fall ist weitaus kurioser und greifbarer als die positiven Auswirkungen von hellen Flächen und Dächern auf ihre Umgebung, doch führt er wunderbar vor Augen, dass die Gestaltung moderner Gebäude heute nicht nur dem ästhetischen Empfinden des Bauherrn entsprechen, sondern auch zu einem lebenswerten Umfeld beitragen soll. Dazu gehört aufgrund der zunehmenden Erderwärmung im Zuge des Klimawandels vor allem die Temperatur in den Wohnungen und den Straßen der urbanen Räume. 

Inhaltsverzeichnis

Urbane Überhitzung: Der Wärmeinseleffekt

Besonders spürbar ist der Klimawandel in den Städten. Baumaterialien wie Beton, Asphalt und Bitumen heizen sich tagsüber in der Sonne stark auf und geben die gespeicherte Wärme nachts nur langsam wieder ab. Allerdings spielen hier noch weitere Faktoren eine Rolle: Großstädte sind häufig so dicht bebaut, dass zu wenig Windschneisen und Grün- oder Blauflächen existieren, die zur Abkühlung des urbanen Raums beitragen. Erschwerend kommt hinzu, dass die anthropogene Nutzung der Städte durch Industrie und Verkehr ebenfalls zu einem heißen Stadtklima beitragen.

Das Zusammenspiel dieser Eigenschaften führt dazu, dass besonders nachts die thermische Belastung in den Großstädten deutlich höher ist als im Umland. Dieses Phänomen lässt sich weltweit beobachten und wird als Wärmeinseleffekt oder „urban heat island“ (UHI) bezeichnet. Dabei fällt der Unterschied zwischen urbanem und ländlichen Milieu zum Teil signifikant aus: Bis zu 10°C kann die Temperaturdifferenz in einer windstillen und wolkenlosen Sommernacht betragen. Dass dies gravierende Auswirkungen auf die Bewohner hat, steht außer Frage.

Wie beeinflusst die Hitze unsere Gesundheit?

Heutzutage leben bereits rund 77% der Menschen in Städten und Ballungsgebieten und sind potentiell durch den Wärmeinseleffekt gefährdet. Hitzewellen führen in erster Linie zu Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Kreislaufproblemen oder Übelkeit. Diese Symptome können jeden treffen und haben große Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und sowohl die psychische als auch die physische Gesundheit. Wenn Personen nicht mehr imstande sind, die Hitze zu kompensieren, weil sie sich nirgendwo adäquat abkühlen oder rehydrieren können, kann das zu Krankheitsbildern wie Hitzekrämpfen, Hitzeerschöpfung oder Hitzschlag führen. Um die Bevölkerung vor den drastischen Auswirkungen des Klimawandels und der damit einhergehenden Gefahr durch Hitzewellen zu schützen, sind umfassende Maßnahmen zur Klimaanpassung nötig.

Die tödlichen Auswirkungen des Klimawandels

Besonders vulnerable Gruppen wie Senioren, Vorerkrankte oder Kleinkinder müssen zunehmend durch bauliche Maßnahmen vor langanhaltenden Hitzewellen geschützt werden. Ana Maria Vicedo Cabrera forscht an der Universität Bern und hat zusammen mit einem Team 2021 eine Studie veröffentlicht, wie der menschengemachte Klimawandel die Zahl der Hitzetoten in 43 Ländern von 1991-2018 beeinflusst hat. Das Ergebnis: Rund 37% aller Hitzetoten weltweit und rund 33% aller Hitzetoten in Deutschland sind direkt auf den Klimawandel zurückzuführen. 2018 war es in Mitteleuropa ungewöhnlich heiß und trocken. Aufgrund der Hitzewellen starben in Deutschland rund 20.000 Menschen – und damit rund 6600 Menschen an den Folgen des Klimawandels.

Helle Flächen, Klimaanpassung und Albedo

Der zentrale Wert zur Einordnung der Rückstrahlfähigkeit einer Oberfläche ist die Albedo. Diese Zahl gibt an, wie groß das Reflexionsvermögen einer Oberfläche ist.

Auswahl relevanter Albedowerte

Asphalt0,05 – 0,15
Dachziegel0,1 – 0,35
Stein0,2 – 0,25
Beton0,2 – 0,4
Bitumen0,1

Dabei gilt: Je höher die Albedo desto höher ist die Reflexionsfähigkeit. Eine Albedo von 0,3 bedeutet, dass 30% der einfallenden Strahlen reflektiert werden. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass nur 70% der Strahlen absorbiert werden und zur Erwärmung des Objekts beitragen können.

Aus diesen Zahlen lässt sich ableiten, dass sich helle Fassaden und Dächer mit einem hohen Reflexionsvermögen weniger stark erwärmen als dunkle Flächen. Daher ist es naheliegend, im Zuge der Klimaanpassungsmaßnahme auf helle Farbtöne zu setzen, um die Gebäude selbst und das Umfeld abzukühlen.

Helle Fassaden helfen gegen den Klimawandel

Eine naheliegende Maßnahme ist die Wahl der richtigen Fassade. Dabei steht Bauherrn, Planern und Architekten trotz der limitierten Farbpalette eine Vielzahl von individuellen Gestaltungsmöglichkeiten für ihr Gebäude zur Verfügung.

Wenn die Entscheidung auf klassischen Putz fällt, stehen eine ganze Reihe von verschiedenen Farben und Putztechniken zur Fassadengestaltung zur Auswahl. Ein schlichter weißer mineralischer Putz mit dezenter Struktur steht den meisten Ein- und Mehrfamilienhäusern zu Gesicht und bietet optimale Eigenschaften für ein gesundes Raumklima. Mit einem hellen Grauton und moderner Besenstrichtechnik wird ein Gebäude mit Sicherheit zu einem Hingucker. Aufgrund der Vielseitigkeit sind bei der kreativen Ausgestaltung kaum Grenzen gesetzt. Fachfirmen für Mal- und Putzarbeiten können hier optimal beraten.

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Darüber hinaus können Teile der Fassade auch mit Natursteinen realisiert werden. Besonders Dolomit, Kalkstein, Muschelkalk oder Sandstein eignen sich für helle Akzente an Häusern, da sie unterschiedlich geschliffen und geformt werden können und sich so ideal an die Gebäudeoptik anpassen. Kalkstein, auch Travertin genannt, ist zudem vergleichsweise kostengünstig, sodass auch große Fassadenflächen mit diesem Naturstein umgesetzt werden können. Besonders beliebt sind Natursteine als Riemchen, kleinen Platten, mit denen entweder die ganze Fassade verkleidet werden oder besondere Highlights gesetzt werden können.

Riemchen sind zudem nicht nur in Natursteinoptik erhältlich, sondern auch aus Klinker, Ziegel oder Keramik. Je nach Farbgebung sind sie damit ebenfalls für klimaangepasste helle Fassadenflächen gut geeignet und können zu einem gesunden Stadtklima beitragen.

In warmen Gegenden setzen Architekten bereits seit vielen Jahren auf helle Fassaden, um die Innenräume vor Hitze zu schützen.

Die Häuser auf Santorin sind mit weißer Kalkfarbe gestrichen. Das hält die Hitze ab und das Gebäudeinnere kühl.
Quelle: Mari79 / stock.adobe.com

Weiße Häuser – Mittelmeerromantik Santorini

Besonders im Mittelmeerraum ist die Architektur von den heißen und trockenen Sommermonaten geprägt. Weithin berühmt sind die Fotos von Santorini, dem Archipel in den Kykladen, und seinen malerischen weißen Dörfern, die sich vor dem dunkelblauen Meer bei strahlendem Sonnenschein in die Felswände der Inseln schmiegen.

Dabei ist die Wahl der weißen Fassadenfarbe alles andere als eine rein ästhetische Überlegung: Kalkfarbe ist günstig und verhindert dank ihrer bauphysikalischen Eigenschaften wie Porosität die Ausbreitung von Schimmel und Krankheiten.

Vor allem aber ist sie wegen ihres hohen Reflexionsvermögens hitzeabweisend und damit von unschätzbarem Wert für die Menschen, die mit den heißen Sommermonaten auf Santorini leben müssen. Aufgrund der hellen Gebäudehülle sind die Häuser deutlich resistenter gegenüber der Sonneneinstrahlung und heizen sich somit deutlich weniger auf als Gebäude mit dunklen Fassaden.

Helle Dächer schützen das Klima

Obwohl die Fassade häufiger im Fokus der Maßnahmen zur Klimaanpassung steht, darf das Dach nicht vernachlässigt werde. Aufgrund seiner exponierten Lage ist es der Sonne besonders lange ausgesetzt und kann sich in den Sommermonaten daher entsprechend stark erwärmen. Dabei sind Bauherren und Architekten dank einer breiten Palette an möglichen Maßnahmen kaum eingeschränkt.

Für bestehende Gebäude mit Steil- oder Satteldächern bieten einige Firmen besondere Dachbeschichtungen an, die das Reflexionsvermögen des Dachs erhöhen. Diese Beschichtungen werden nach einer gründlichen Reinigung und Vorbehandlung auf die Dachziegel aufgetragen. Dieses Vorgehen hat mehrere Vorteile:

      • Erhöhung der Albedo und damit des Reflexionsvermögens
      • Verbesserung des Raumklimas
      • Kaschieren von bereits sichtbare Alterserscheinungen der Dachziegel
      • Veränderung der Gebäudeoptik
      • Vergleichsweise niedrige Kosten der Dachbeschichtung
      • Eignung für viele verschiedene Dächer

Allerdings ist es bei Dachbeschichtungen besonders wichtig, vertrauenswürdige und kompetente Unternehmen zu beauftragen, damit es durch die Beschichtung nicht zu

Bei der geplanten Realisierung eines Neubaus oder einer Dachsanierung kann die Albedo jedoch schon während des Konzeption berücksichtigt werden.

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Auf dem Markt gibt es inzwischen eine ganze Reihe an Dachziegeln und Dachsteinen, die einen guten Albedowert aufweisen. Speziell beschichtete rote oder sandfarbene Dachziegel erwärmen sich wesentlich langsamer als dunkle Dachziegel oder eine Dachbedeckung aus Schiefer. Dachsteine aus hellem Beton oder Naturstein stellen ebenfalls eine Alternative dar und bieten eine ganze Reihe an Gestaltungsmöglichkeiten. Auch dieses Vorgehen bietet einige Vorteile:

      • Erhöhung der Albedo und damit des Reflexionsvermögens
      • Verbesserung des Raumklimas
      • Veränderung der Gebäudeoptik
      • Langfristige Lösung: Neue Dächer halten jahrzehntelang

Auch Flachdächer können so gestaltet werden, dass sie mehr Sonnenstrahlen reflektieren und sich somit weniger aufheizen. Ähnlich wie Steildächern können zur Gestaltung entweder eine spezielle Beschichtung oder helle Platten verwendet werden.

Ein Arbeiter bringt eine weiße Beschichtung auf ein Flachdach auf.
Quelle: Jorge / stock.adobe.com

Cool Roofs in New York

Die Stadt New York möchte bis zum Jahr 2050 CO2-neutral werden und setzt zum Erreichen dieses Ziels unter anderem auch auf weiße Dächer. Daher werden Flachdächer, die bisher mit Asphalt oder Bitumen gedeckt sind, kostenlos mit einer weißen Beschichtung bedeckt, damit sie sich und ihre Umgebung nicht mehr so stark aufheizen. New York verspricht sich davon im Wesentlichen vier Dinge.

      1. Reduzierung des Wärmeinseleffekts
      2. Senken der Temperaturen auf und im Gebäude
      3. Reduzierung des CO2-Ausstoßes
      4. Verbesserung der Luftqualität

Einen weiteren positiven Nebeneffekt sieht New York darin, dass die verwendeten Baumaterialien auf den Flachdächern seltener starken Temperaturschwankungen ausgesetzt werden, was ihre Lebensdauer verlängert. Kritische Stimmen befürchten jedoch, dass die reduzierte Umgebungstemperatur zu weniger Regen führt, da Wasser weniger schnell verdunstet.

Potenzielle Probleme heller Fassaden und Dächer

Generell dürfen potentiell auftretende Probleme im Zusammenhang mit hellen Fassaden oder Dächern nicht unerwähnt bleiben.

Bereits bei der Planung sollten Architekten und Bauherren die rechtlichen Rahmenbedingungen prüfen. Viele Städte schreiben für einzelne Baugebiete bestimmte Farben oder Gestaltungsmaterialien vor, um ein einheitliches Stadtbild zu erhalten. Hier kann eine Baufirma oder ein Fachanwalt Bauherren dabei unterstützen, rechtliche Fragen mit der zuständigen Behörde im Vorfeld zu klären. Besonders in Altstädten, wo z.B. Fachwerkhäuser unter Denkmalschutz stehen, sind bauliche Veränderungen mitunter schwierig oder gar nicht durchsetzbar.

Ein offensichtliches Risiko besteht darin, dass es bei hellen Flächen zu Blendung kommen kann. Weiße Fassaden oder Dächer können im ungünstigsten Fall Verkehrsteilnehmer blenden oder das Sonnenlicht direkt in die Wohnung des Nachbarn reflektieren. Der Hauseigentümer muss daher in enger Zusammenarbeit mit Baufirmen und Architekten sicherstellen, dass von seinem Gebäude keine Beeinträchtigung oder Gefährdung seiner Umwelt ausgeht.

Ebenfalls problematisch kann es sein, wenn die Sonnenstrahlen von den hellen Flächen immer wieder reflektiert werden, ehe sie von vereinzelten dunklen Flächen absorbiert werden. In Gegenden mit überwiegend weißen Fassaden können das dunkle Dachflächen, Anbauten oder Autos sein, die sich so übermäßig stark erhitzen.

Städte und Gegenden, die unter einer hohen Schadstoffbelastung leiden, sollten nicht auf helle Flächen als alleinige Maßnahme zur Klimaanpassung setzen. Der Meteorologe Joachim Fallmann hat ermittelt, dass bei niedrigen Temperaturen die Bewegung der Luft reduziert wird, wodurch sich schädlicher Feinstaub länger in Bodennähe hält. Eine potentielle Gegenmaßnahme besteht darin, zusätzlich Grünflächen zu schaffen, da Pflanzen einen entscheidenden Beitrag zur Reinigung der Luft und damit zur Erhöhung der Luftqualität leisten.

Schlicht und modern: Eine weiße Fassade und ein graues Dach in neu gebauten Reihenhäusern.
Quelle: schulzfoto / stock.adobe.com

Synergie-Effekte

Denn wie die meisten Maßnahmen zur Klimaanpassung, entfalten auch helle Dächer und Fassaden ihre volle Wirkung erst in einer sinnvollen Kombination mit anderen Maßnahmen.

Vor allem in Kombination mit Dachbegrünung oder Fassadenbegrünung lassen sich hier positive Effekte erzielen. Neben der Luftreinigung bieten Pflanzen durch Verschattung von Gebäudeteilen oder Fenstern einen zusätzlichen Schutz vor der Hitze. Zudem tragen Grünflächen ebenso wie Gewässer durch die Verdunstungskälte dazu bei, die Temperaturen zu senken.

In dicht bebauten Großstädten ist es wichtig, auch auf ausreichende Möglichkeiten für den Luftaustausch zu achten, damit Hitze und Feinstaub abtransportiert werden können. Das lässt sich durch Windschneisen oder ausreichende grüne oder blaue Freiflächen realisieren.

Verschiedene Maßnahmen zur Klimaanpassung lassen sich besonders gut in einem modernen Quartier vereinen. Die Treskow-Höfe in Berlin profitieren in den heißen Sommermonaten von hellen Fassaden und begrünten Innenhöfen, die jeweils zur Abkühlung des Gebäudes und seiner Umgebung beitragen. Autos verschwinden unauffällig in einer Tiefgarage unter den Grünflächen. 

Ist Klimaanpassung sinnvoll?

Der Klimawandel ist bereits in urbanen Gegenden angekommen und die Klimaanpassung trägt dazu bei, dass selbst Großstädte in lang andauernden Hitzeperioden lebenswert bleiben können. Fachkenntnis und der Wille, ein lebenswertes Umfeld für sich und andere zu schaffen, sollten sowohl bei kommunalen als auch bei privaten Bauvorhaben im Vordergrund stehen. Das kommt nicht nur dem Klima, sondern vor allem den Menschen zugute.