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Entsiegelung von Flächen – Regenwasser, Umwelt und Versickerung

Täglich werden in Deutschland über 50 Hektar Fläche bebaut und versiegelt. Im Sinne eines ökologisch-nachhaltigen Bauens ist es aber unabdingbar, die Versickerung des Niederschlagswassers auf Flächen zu sichern oder ggf. zu erhöhen. Ziel davon ist, Regenwasser in den natürlichen Wasserkreislauf einzuspeisen sowie Engpässe im Kanalnetz und Überflutungen zu vermeiden. Der große Vorteil: das Ganze ist nicht nur klimafreundlich und stabilisiert das ökologische Umfeld – es können bei gezielter Entsiegelung von Flächen gleichzeitig Bau- und Betriebskosten gespart oder gesenkt werden. Wie wichtig Flächenentsiegelung für die Klimaanpassung ist und wie das Ganze erreicht werden kann, erfahren sie in diesem Beitrag.

Inhaltsverzeichnis

Was sind versiegelte Bodenflächen?

Aufgrund ihres luft- und wasserdichten Belags werden bestimmte Flächen als versiegelter Boden bezeichnet. Auf ihnen kann Regenwasser schlechter oder gar nicht versickern und wird direkt in die Kanalisation anstatt in den Wasserkreislauf eingespeist. Das hat u.a. die Folge, das auf lange Sicht Grundwasservorräte reduziert werden, es bei Starkregen zu Überflutungen und Rückstau kommen kann sowie das Hitzeprofil der Fläche ansteigt.

Ist Pflaster eine versiegelte Fläche?

Anhand dieses Bauelements lässt sich die Unterscheidung in stark und voll versiegelte Flächen besonders gut veranschaulichen – wobei die Versiegelungsart und die verwendeten Materialien ausschlaggebend sind. 

So fällt z.B. eine Pflasterfläche, die fugenlos und mit wasserdichtem Mörtel versehen ist, in die Kategorie der stark versiegelten Flächen. Hingegen gilt eine „lückenlose“ Asphalt- oder Betonschick als Vollversiegelung.

Diese Klassifikationen spielen vor allem hinsichtlich der Niederschlagswassergebühren eine nicht unerhebliche Rolle, da sie für den Multiplikationsfaktor verantwortlich sind:

• Faktor 0,9 für vollständig versiegelte Flächen

• Faktor 0,6 für stark versiegelte Flächen

• Faktor 0,3 für wenig versiegelte Flächen

Ist Schotter versiegelte Fläche?

Von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich gelten befestigte Schotterflächen als teilversiegelt.

Seit den frühen 2000er Jahren wird in Deutschland bei Neubauten gezielt darauf geachtet, so wenig wie möglich Flächen neu zu versiegeln, wie auch bei Sanierungsarbeiten und im Bestand sog. Flächenrecycling zu betreiben.

Was ist Entsiegelung?

Sowohl das Bodenschutz- als auch das Baugesetz schreiben eine Minimierung der versiegelten Flächen vor. Das hat bestimmte rechtliche Vorschriften bei Neubauten zur Folge – im Bestand jedoch nicht.

Da generell eine Renaturalisierung von Verkehrs- oder Bauflächen in den meisten Fällen nicht möglich ist, wird nicht nur die komplette Beseitigung der Versiegelung, sondern auch der Austausch wasserundurchlässiger Stoffe durch wasserdurchlässige Alternativen unter Entsiegelung verstanden. Damit soll gewährleistet werden, dass Niederschlagswasser nicht direkt in die Kanalisation abgeleitet wird und somit zu Grauwasser wird, sondern in das Grundwasser gelangen kann. Ein weiteres Ziel ist es, den Boden-Luft-Austausch wiederherzustellen, um das Flächenklima zu verbessern.

Bei der Flächenentsiegelung müssen die Grundsätze des Boden- und Gewässerschutzes stets beachtet werden, da bei Versickerung durch nicht naturbelassene Flächen eine biologische Filterschicht fehlt. Das lässt in einigen Fällen die Schadstoffbelastung des Grundwassers ansteigen. 

Entsiegelung von Flächen und Klimaschutz

Versiegelte Flächen isolieren die betroffenen Böden vom Rest des natürlichen Ökosystems. Das hat zur Folge, dass in der Natur ablaufende hydrologische Prozesse wie Versickerung und Verdunstung nicht mehr möglich sind. 

Das hat wiederum negative Auswirkungen auf das Ökosystem

• höhere Hitzebelastung bei nicht verdunstungsfähigen Flächen 

• Niederschlagswasser kann nur oberflächlich in die Kanalisation abfließen

Grünflächen werden, falls sie von versiegelten Flächen umgeben sind, von der natürlichen Versorgung durch Niederschlagswasser abgeschnitten

• es findet kein Boden-Luft-Austausch statt.

Um all diese Einschränkungen zu beheben oder zukünftig auszugeichen plant die Bundesregierung die Erweiterung der Zuschüsse für Entsiegelungsmaßnahmen.

Entsiegelungsmaßnahmen

Rasen, Kies- und Splittdecken, Gittersteine oder Fugenpflaster: Entsiegelungsmaßnahmen sind so unterschiedlich wie deren Anwendungsgebiete. Für bestimmte Flächen eigenen sich manche Maßnahmen mehr als andere:

• Fußwege: Kies und Splitt, Holzpflaster

• Parkplätze: Kies und Splitt, Schotterrasen, Rasengittersteine, Rasenfugenpflaster

• Umbaute, aber nicht überbaute Flächen: Porenpflaster

(Besonders „einfach“ zu bewerkstelligen ist die Entsiegelung von Flächen bei Parkplätzen oder Gehwegen. © xiaosan – stock.adobe.com)

Da Nutzen und Erdbeschaffenheit stark variieren können, ist es möglich, weitere Entsiegelungsmaßnahmen wie Rindenschrot oder Holzroste in Betracht zu ziehen.

Zusätzlich kann anhand nachhaltigen Regenwassermanagements für Ausgleich gesorgt werden. So kann z. B. durch Dachbegrünung mehr Niederschlag gespeichert und über ein Regenwassersystem langsam an das Grundwasser abgegeben werden. Auch bieten unterschiedliche Versickerungsmaßnahmen Abhilfe, wenn es um Überflutungsschutz geht.

Neben der Maßnahme selbst spielt für das Abflussverhalten der entsprechenden Fläche die örtliche Geländeneigung eine entscheidende Rolle.

Wichtig: Alle Entsiegelungsmaßahmen dürfen nur bei Flächen angewendet werden, bei denen keine Gefährdung für das Grundwasser besteht. D.h. Flächen, die über Altlasten wie z.B. Schwermetalle verfügen, sollten versiegelt bleiben oder werden.

Praxis Anleitung zur Entsiegelung von Flächen

Wie bereits angesprochen lässt sich die Entsiegelung versiegelter Flächen durch unterschiedliche Maßnahmen durchführen. Grundsätzlich ist der Ablauf jedoch stets derselbe:

1. Versiegelnde Bodenbeläge (Asphalt, Beton oder Pflastersteine) entfernen

2. Darunterliegende Tragschichten wie Schotter, Kies und Splitt reduzieren

3. Bodenauflockerung

4. Bei Flächenrecycling: Auftragen der versickerungsfähigen Baustoffe

Bereits bei der Planung müssen sich Architekten und Bauherrn zwischen gebundener und ungebundener Flächenbauweise entscheiden:

Ungebundene Flächenbauweise

Belag (z. B. Pflastersteine mit Fugenbreite über 1 cm)

Pflasterbett (z.B. Sand oder Splitt)

Tragschicht (z.B. Schotter oder Kies)

Frostschutzkies

Aufgelockertes Erdreich

Gebundene Flächenbauweise

Belag (z. B. Dränbeton oder versickerungsfähiger Asphalt)

Pflasterbett (z.B. Dränmörtel)

Tragschicht aus versickerungsfähigem Material

Frostschutzkies

Aufgelockertes Erdreich

Vor allem im Straßenbau gehören der Einsatz von versickerungsfähigen Baustoffe wie Dränbeton zu den bevorzugten Mitteln.

Dränbetontragschichten (DBT)

Gemäß den „zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für die Bauliche Erhaltung von Verkehrsflächenbefestigungen – Betonbauweisen“ (ZTV BEB-StB) werden Dränbetontragschichten im Verkehrswegebau z. B. als streifenweiser Ersatz der Betondecke unter der Längspressfuge eingesetzt. Auf diese Weise dienen DBTs als Entwässerungsstreifen.

Alternativ können sie auch vollflächig eingesetzt werden, meist in Kombination mit versicherungsfähigen Baumaterialien wie z.B: wasserdurchlässiger Asphalt, Beton oder Pflasterdecken (Merkblatt für Versicherungsfähige Verkehrsflächen M VV).

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Entsiegelungsstrategie in Ballungsräumen

In urbanen Räumen ist selbst eine Teilentsiegelung oft nur begrenzt umsetzbar. Deswegen sollte speziell bei Neubauten darauf geachtet werden, das kleinstmögliche Maß an Bodenversiegelungen vorzunehmen.

Dennoch lässt sich durch gezielte Rückbaumaßnahmen, Vermeidung von Neuversiegelung, Ausgleichsflächen und Regenwassermanagement bereits viel erreichen, um das Stadtklima zu verbessern und gleichzeitig Flora und Fauna zu fördern.

Grundsätzlich sollten bei allen Maßnahmen die entsprechende Landesbauordnung (LBO) und die Musterbauordnung (MBO) berücksichtigt werden. 

Förderung der Flächenentsiegelung

Durch den Wegfall der Niederschlagswassergebühren werden entsiegelte Flächen indirekt subventioniert. Konkreter wird die Förderung anhand von kommunalen Förderprogrammen, die oft gezielt die Entsiegelung von Flächen forcieren. So können Bauunternehmen beispielsweise sog. Ökopunkte bei der zuständigen Gemeinde erwerben, um einen Klimaausgleich zu erreichen – in bestimmten Zeiträumen bieten einzelne Bundesländer die unentgeltliche Gutschrift von Ökopunkten für die freiwillige Entsiegelung oder Bauwerksbegrünung an.

Förderinitiative Flächenentsiegelung

Nachhaltige Bauentwicklung, Wohn- und Lebensqualität sowie Biodiversität: Das und vieles Weitere soll in Bayern durch die Initiative „Flächenentsiegelung“ gelingen. Dabei erhalten ausschließlich Gemeinden gezielte Unterstützung für die vollständige Entsiegelung befestigter Flächen.

Die herzu zur Verfügung gestellten Mittel unterliegen bestimmten Restriktionen:

• Einreichen eines Planungs- oder Entwicklungskonzeptes

• Maßnahmenbeginn erst nach der Bewilligung

• Fördermittel sind ausschließlich zweckgebundene Zuschüsse

• Der Fördersatz beträgt 60 % der zuwendungsfähigen Kosten

Unter dem Schlüsselbegriff Flächenrecycling fördert die Initiative nicht ausschließlich Komplett-Entsiegelungen, sondern kann auch bei Teilentsiegelungen beantragt werden – die Fördermittel umfassen hierbei auch die Erstellung von Konzepten, Planungen und Gutachten.

Planungshandbuch Straßen und Wegebau

Aktuelle Normen, Richtlinien sowie Zeichnungen und Berechnungsbeispiele zur Planung, Bemessung und Sanierung von Straßen.

Fazit

Oft sei die einfachste Möglichkeit Flächen zu entsiegeln, sie gar nicht erst zu versiegeln. Das Ganze ist in der Praxis mit Blick auf Urbanisierung und Bevölkerungswachstum nicht umfassend umsetzbar. Als Alternative bleiben eigentlich nur zwei Vorgehensweisen: die Flächenentsiegelung oder das nachhaltige Regenwassermanagement.

Nichtsdestotrotz sollten diejenigen Flächen, die diese Möglichkeit mitbringen, von versiegelten in Grünflächen umgewandelt werden (z B brachliegende Wirtschafts-, Industrie oder unbewohnte und verfallene Wohnbauten). 

Problematisch hierbei ist aber meistens eines: die Kosten einer derartigen Umwandlung im Vergleich zum Unterhalt eines unbenutzten Bauwerks oder Fläche.

Umsetzung

Inwiefern eine bestimmte Entsiegelungsmaßnahme geeignet ist, hängt auch oft von einem weiteren Faktor ab: der anschließenden Nutzungsmöglichkeiten. Das spielt vor allem bei Verkehrsflächen eine entscheidende Rolle, warum sie meist nur Teilentsiegelt werden können, denn die Tragfähigkeit darf nicht verringert werden.

Bildquelle-Header: © bluedesign – stock.adobe.com