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Was ist Regenwassermanagement?

Das Thema Regenwassermanagement umfasst nicht nur Aspekte des Überflutungsschutzes, sondern kann wichtiger Bestandteil des nachhaltigen Bauens sein. Ob Regenwasser auf Grundstücken versickern, verdunsten oder genutzt werden soll, müssen Architekten und Planer bereits in den frühen Stadien des Neubaus oder bei Bestandbauten beachten. Welche Möglichkeiten gibt es für unterschiedliches Regenwassermanagement? Welche Vorteile entstehen für Unternehmen und Eigentümer, wenn Regenwassermanagement betrieben wird?

Veröffentlicht am 21.02.2022

Warum ist Regenwassermanagement notwendig?

Starkregen und Überflutung gehören zu den größten Herausforderungen in der Baubranche. Folgen eines extremen Regenereignisses können Bau- und Sachschäden, schlimmstenfalls Personenschäden sein. Durch ein angemessenes Regenwassermanagement können Unternehmer und Eigentümer derartige Risiken stark minimieren.

Seit den beginnenden 2000er Jahren hat sich die Philosophie des Regenwassermanagements von der schlichten Ableitung überflüssigen Wassers in die Kanalisation hin zur Nutzung verändert – insbesondere in urbanen Räumen. Das dadurch entstehende Potential, das hinter der Regenwassernutzung steht, ist ungemein groß – von ökologischen zu ökomischen Aspekten.

Einer der wichtigsten ökonomischen Möglichkeiten der Regenwassernutzung kann für Unternehmen, öffentliche Einrichtungen oder Privathaushalte die Reduzierung der Trink- und Abwassergebühren sein: durch Regenwassermanagement wird Grauwasser eingespart und Betriebswasser gewonnen.

Dabei ist das Regenwassermanagement schon lange keine Nischendisziplin in der Freiraumplanung oder im Garten- und Landschaftsbau mehr, sondern fester Bestandteil der Bauplanung und Bestandserweiterung. Dennoch ist noch viel Entwicklungsspielraum gegeben − ein Umstand, der das Feld aus bautechnischer Perspektive ungemein interessant macht.

Was steckt hinter dem Begriff Regenwasser?

Regen- oder Niederschlagswasser ist Wasser, das nach Verdunstung durch Niederschlag aufritt. Als wichtiger Bestandteil des Wasserkreislaufs speist es fortdauernd das Grundwasser. Bei extremen Niederschlagsmengen kommt es zu Flutungen und Überschwemmungen –  beide stellen wichtige Anforderungen an das Regenwassermanagement.  

Naturnaher Umgang mit Regenwasser

Wenn Unternehmen sich für eine Regenwasserlösung entscheiden, wählen sie meist zwischen Regenwassernutzung, Wasserrückleitung ins Grundwasser oder schlichter Ableitung in die Kanalisation. Bei der Grundwasserrückführung sollten bei der Planung und Umsetzung folgende Regeln beachtet werden: 

Wichtige Gesetze und Regeln

Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und EU-WRRL/Europäische Wasserrahmenrichtlinie
Niederschlagswasserfreistellungsverordnung (NWfreiV)
Technische Regel zum schadlosen Einleiten von Niederschlagwasser ins Grundwasser (TRENGW)
Technische Regel zum schadlosen Einleiten von Niederschlagwasser in Oberflächengewässer (TRENOG)
Entwässerungssatzung (EWS) der zuständigen Gemeinde
Gebietsverordnungen von Wasserschutzgebieten (WSG-VO)
Beschränkung von Einleitungsmengen in Vorflutern nach DWA-A117
Versicherung von Niederschlagswasser nach DWA-A117
DWA-A 138-1 Arbeitsblatt für Anlagen zur Versicherung von Niederschlagswasser
DWA M119 Risikomanagement in der kommunalen Überflutungsvorsorge für Entwässerungssysteme bei Starkregen
FLL-Richtlinie „Versickerungsanlagen im Landschaftsbau“
Berechnung des Regenabflusses von Flächen (Durchlässigkeit des Bodens der Oberfläche)
Überflutungsschutz-Nachweis

Bei allen Maßnahmen des Regenwassermanagements stehen Funktionalität und Nutzen im Mittelpunkt. Hierzu gehört auch der Schutz vor Überflutung anhand der DIN 1986-100 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke“. Zusätzlich sind im Rahmen der Gesetzes-Harmonisierungen innerhalb der Europäischen Union einige Normen novelliert worden.

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Wichtige DIN-Normen für sachgemäßes Regenwassermanagement

Seit der der Neuauflage der DIN 1986 im März 2002 muss ab einer Grundstücksgröße von 800 Quadratmetern (abflusswirksamer Fläche) ein Überflutungsschutznachweis, kurz Überflutungsnachweis, vorliegen. Durch diesen soll in erster Linie sichergestellt werden, dass Regenwasser, das nicht abgeleitet wird oder versickert, nicht auf angrenzende Grundstücke entweicht – gleichzeitig darf die grundstückseigene Überflutung nicht zu Schäden führen.

Zweck der DIN 1986-100 ist es in erster Linie nicht, Bauwerke vor den Folgen von Starkregen zu schützen. Für diesen Aspekt, den bautechnischen Schutz, sind die Richtlinien wie die DIN 18533-1 „Abdichtung von erdberührten Bauteilen“ oder technisch anerkannte Regeln wie die FFL-Empfehlung für Planung, Bau und Instandhaltung der Übergangsbereiche von Freiflächen zu Gebäuden sowie die DHH-Flachdachrichtlinie richtungsgebend. 

  • Aktueller Sachstand der DIN 1986-100
  • DIN 1989 „Regenwassernutzungsanlagen“
  • EN 752
  • EN 806 „Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen“
  • EN 12056-5 „Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden“
  • EN 1610 „Einbau und Prüfung von Abwasserleitungen und -kanälen“
  • DIN EN 16941-1 „Vor-Ort Anlagen für Nicht-Trinkwasser“

Nach DIN 1986-100 sind Grundstücksentwässerungen in der Regel so anzulegen, dass der 2-jährige Bemessungsregen von 5 Minuten Dauer ohne Vor- oder Rückstau abgeleitet werden kann. Zwar sollte somit anhand des Überflutungsnachweises eine schadlose Überflutung des Grundstücks innerhalb der nächsten 30 Jahre garantiert sein – extremen Starkregen und Naturkatastrophen beinhaltet die Norm nicht.

Die Wassermenge, die von der jeweiligen Entwässerungsanlage aufgenommen werden muss, wird anhand des regionalen Wasserstandes und des durchschnittlichen Niederschlagwertes ermittelt. Für das Überflutungsvolumen ist die Grundstücksneigung zusätzlich von Bedeutung. 

Grundsätzlich dürfen bei Starkregen und anschließender Überflutung keine Menschen, Tiere oder Sachgüter zu Schaden kommen – das sollte stets das Ziel guten Regenwassermanagements sein.

Oft reichen geplante Anlagen nicht aus, das errechnete Überflutungsvolumen zu bewältigen. Mit gezielter Gestaltung von Freiflächen kann hier Abhilfe geschafft werden. 

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Was sind bewährte Bausteine des Regenwassermanagements?

Durch die Kombination unterschiedlicher bautechnischer Maßnahmen im Garten-, Landschafts- und Straßenbau wird durch geeignetes Regenwassermanagement ausreichend Überflutungsschutz gewährleistet. Gleichzeitig sollte Regenwasser nachhaltig bewirtschaftet werden. Was heißt das? Sauberes Regenwasser sollte bestenfalls vor Ort ins Grundwasser versickern oder geleitet werden. Ansonsten wird es Bestandteil des Abwassersystems. Zu den Maßnahmen gehören:

  • Versickerung
  • Rückhaltung und Retention
  • Oberirdische Sammlung und Ableitung
  • Behandlung – Reinigung
  • Regenwassernutzung 

Auf diesen Anwendungsgebieten basieren die unterschiedlichen Überflutungs- und Regenwassermanagementsysteme. Zu ihnen gehören:

 ✓ Muldenversickerung

 ✓ Schachtversickerung

 ✓ Rigolenversickerung

 ✓ Mulden-Rigolen-Systeme

 ✓ Regenwassernutzungsanlagen

 ✓ Dachbegrünungen

✓ Tiefbeet-Rigolen-Systeme

✓ intelligente Gründächer

✓ Baum-Rigolen

Versickerung von Regenwasser

Der Prozess der Versickerung beschreibt das gezielte Einleiten von Niederschlagwasser in den Untergrund und fällt unter die Rubrik der Grundwassernutzung – einer der Grundsäulen effektiven Regenwassermanagements. An dieser Technik Interessierte sollten zuallererst klären, inwiefern bei der örtlichen Gemeinde eine Genehmigung beantragt werden muss. Eine einheitliche Regelung existiert hierbei nicht – die Vorgaben variieren teils stark.

Zur Versickerung von Niederschlagwasser gibt es unterschiedliche Anlagentypen, die nach DWA-A138 und DWA-M 153 geplant und umgesetzt werden müssen. Zu diesen Anlagen gehören:

  • Offene Abflussrinnen
  • Abflussrohre
  • Flächenhafte Versickerung mit entsiegelter Oberfläche (wasserdurchlässige Pflastersteine und Platten, Beton und Asphalt)
  • Flächenhafte Versickerung anhand einer Sicker-Mulde
  • Flächenversickerung durch Flächenbefestigungen mit wasserdurchlässigen Fugen und Sickeröffnungen
  • Rasenfläche, Schotterrase, Kiesbeläge 
  • Linienförmige Versickerung über eine Rohrrigole oder Füllkörperrigole
  • Punktuelle Versickerung über einen Schacht (Ausnahmegenehmigung erforderlich)
  • Mulden-Rigolen-System (Ober- und unterirdisch)
  • Retentionsanlagen und Retentionsräume (Parkplätze, Grünflächen, Drain Garden, versickerungsfähige Pflanzgruben)
  • Gründächer, bzw. Modulare Dachbegrünung 

Was versteht man unter Rigole und welche Verwendung finden Sie im Regenwassermanagement? Unter Rigolen versteht man unter der Geländeoberfläche angeordnete Auffangbecken, die Regenwasser sammeln und versickern. Dabei wird das Niederschlagswasser oberirdisch in einem mit Kies oder Granulat gefüllten Graben oder Mulde geleitet und in der Rigole gesammelt. Ziel ist es hierbei, das Wasser langsam versickern zu lassen.

Wann braucht man eine Rigole? Brauchen ist hierbei vielleicht nicht der geeignete Ausdruck: In vielen Situationen bietet sich die Nutzung eines Rigolen-Systems an. Vor allem dann, wenn die Rigole mit einer Zisterne kombiniert wird und das gesammelte Regenwasser teilweise genutzt werden kann.

Ist eine Rigole genehmigungspflichtig? Bei dem Bau von Mulden, Gruben, Gräben oder Rigolen muss in der Gemeinde eine Genehmigung eingeholt werden. Hintergrund ist u.a., dass die Fließeigenschaften des Niederschlagwassers auch angrenzende Grundstücke beeinflussen. Wichtig: in einigen Bundesländern wird der Einbau einer Versickerungsanlage finanziell gefördert.

Durch einzelne Rigole-Bausteine kann die Größe der Anlage individuell bestimmt werden. (Bildquelle: © Kara – stock.adobe.com)

Rückhaltung und Retention

Die Rückhaltung von Regenwasser kann entweder unmittelbar dort stattfinden, wo es anfällt, oder dezentral gesammelt werden. Bei der direkten Rückhaltung eigenen sich Gründächer, Regentonnen oder ein dementsprechend ausgestalteter Vegetationsbereich – bei unterschiedlicher Durchlässigkeit des Untergrundes kann die Einleitung oder auch Versickerung zeitversetzt und langsamer vonstattengehen. Komplexere Regenwassermanagementsysteme enthalten meist mindestens eines der beiden Elemente.

Bei der dezentralen Rückhaltung hingegen wird in unterirdischen Retentionsbecken bei gleichzeitiger Oberflächenversiegelung die gesammelte Rückhaltung des Niederschlagswassers bewerkstelligt und dieses schrittweise und in kleinen Mengen in das Grundwasser abgegeben. Die unterirdische Rückhaltung muss nach DWA-A 117 und Überflutungsschutz nach DIN 1986-100 geplant und erbaut werden.

Die Retentionsmodule (im Regenwassermanagement oft „R“ abgekürzt) sind über Zulauf- und Drosselschächte mit der Oberfläche und dem Abfluss verbunden. Ein durchaus beliebtes System ist es, einen Löschwasserspeicher anzuschließen, auf den im Brandfall auch die Feuerwehr zugreifen kann. 

 

Oberirdische Sammlung und Ableitung

Das Prinzip der Regenwassersammlung mit ungedrosselter Ableitung wird primär im Straßen- und Autobahnbau verwendet, selten hingegen in städtischen Wohnräumen. Durch offene Gräben, Rinnen oder Mulden kann eine Überflutung der Infrastruktur vermieden werden – ausgerichtet auf den Normalfall, außerordentliche Wetterereignisse führen gelegentlich zu einer Überlastung derartiger Systeme und ziehen Überschwemmungen (Hochwasser) nach sich. Wichtig: Regenwassermanagement sollte den Extremfall stets mit einplanen.

Die oberirdische Sammlung mit anschließender Ableitung, auch naturnahe Regenwasserbewirtschaftung genannt, bringt eine weitere Facette im Umgang mit Regenwasser mit sich: die Verdunstung. Diese ist witterungsabhängig und kann nur anhand von Richtwerten ermittelt werden – individuelle Messgrößen sind kaum zu erlangen. 

Behandlung und Reinigung

Wurde das Niederschlagswasser bereits gesammelt oder zurückgehalten, stellt sich die Frage des nächsten Schritts (sekundäres Regenwassermanagement). Sowohl bei Einleitung in das Grundwasser als auch bei der Verwendung als Grau- oder Betriebswasser wird der Verunreinigungsgrad des Wassers gemessen. Darauf aufbauend kommt es zu entsprechenden Vorreinigungen – an dieser Stelle ist die Unterscheidung von Regenwasser und Schmutzwasser maßgebend.

Die Verschmutzung des Niederschlagswassers hängt direkt mit der Oberflächenbeschaffenheit des Abflussgrundstücks und der Belastung der Umgebungsluft ab. Abhängig von der Art der Verschmutzung und dem Verschmutzungsgrad eigenen sich unterschiedliche Behandlungsverfahren. Die meisten Verunreinigungen können anhand von Absetzeinrichtungen oder Filteranlagen behoben werden – eine Art der Filterung ist z.B. die geologische Filtration (Versickerung durch Bodenschichten). Als Alternative können Teiche zur biologischen Behandlung angelegt werden. 

Bei chemischen Verunreinigungen oder Kontamination des Wassers durch Altöl oder Benzin kommt hingegen ein Leichtstoffabscheider zum Einsatz. Die Abscheideranlagen für Leichtflüssigkeiten unterliegen der DIN EN 858 und der DIN 1999-100.

Regenwassernutzung

Im Gegensatz zu den vorhergehenden Möglichkeiten des Regenwassermanagements steht die Regenwassernutzung für eine Wiederverwendung des Wassers in Haushalt und Garten sowie Industrie und Gewerbe. Das gesammelte Regenwasser wird hierbei zu Grau-, Betriebs- und bestenfalls Trinkwasser aufbereitet. Dieser Vorgang wird nur durch Reinigungsanlagen bewerkstelligt, die DWA-M153-konform ausfallen müssen.

Dabei beinhaltet eine Regenwassernutzungsanlage immer folgende Elemente:

  • Auffangfläche
  • Regenwassersammelleitung mit Filter
  • Wasserspeicher (Zisterne, Wassertank, Regentank, Sammelbehälter etc.)
  • Speicherüberlauf mit Trinkwassernachspeisung

Fazit Regenwassermanagement - Wann welche Maßnahme?

Für welches Verfahren sich Unternehmen oder Privatleute letztendlich entscheiden, hängt von einer Vielzahl an Faktoren ab. Meistens sind es keine Interessenabwägungen, die den Ausschlag geben, sondern Umgebungsfaktoren. Was ist damit gemeint? Sind z.B. keine Grünflächen für Mulden oder Sickergruben vorhaben, muss zwangsläufig auf unterirdische Retentionsanlagen zurückgegriffen werden. Existiert auch diese Option nicht (in urbanen Räumen), bleiben oft nur Dachbegrünungen oder Zisternen, die über ein Pumpsystem befüllt werden.

Sinnvoll ist für Unternehmen mit einem sachkundigen Planer, Architekten oder Bauleitern zusammen zu arbeiten, um ein möglichst optimales Regenwassermanagement betreiben zu können.

Bildquelle Header: carbondale – stock.adobe.com